Published on

Europa wünscht sich eine Börse

Authors

Europa wünscht sich eine Börse

Bundeskanzler Merz hat mit seiner Forderung nach einer gesamteuropäischen Börse eine Debatte angestoßen, die auf breite Zustimmung stößt. Ziel ist es, die Attraktivität des europäischen Kapitalmarktes für Unternehmen zu steigern und Abwanderung in die USA zu verhindern.

Wichtigste Punkte

  • Bundeskanzler Merz forderte eine europäische Börse, um die Attraktivität des europäischen Kapitalmarktes zu erhöhen.
  • Mehrere Finanzplätze in der EU, darunter Euronext und die Deutsche Börse, signalisierten Zustimmung zu dem Vorschlag.
  • Die Fragmentierung des europäischen Kapitalmarktes wird als Hauptgrund für die geringe Anzahl an Börsengängen in Europa und die Abwanderung von Unternehmen in die USA genannt.
  • Das Bundesfinanzministerium unterstützt das Ziel eines effizienten, breit aufgestellten europäischen Kapitalmarktes.
  • Die Konkurrenz zwischen großen EU-Staaten, insbesondere Deutschland und Frankreich, könnte die Umsetzung einer gesamteuropäischen Börse erschweren.

Hintergrund

Die Idee einer europäischen Börse ist nicht neu, gewinnt aber angesichts der zunehmenden Abwanderung von Unternehmen an US-amerikanische Börsen an Dringlichkeit. Der europäische Kapitalmarkt gilt als stark fragmentiert, was zu geringerer Liquidität und Attraktivität für Unternehmen führt. Viele große Unternehmen ziehen es vor, in den USA an die Börse zu gehen, wo sie auf größere Kapitalpools und eine höhere Markttiefe treffen. Die Europäische Union versucht seit längerem, einen stärker integrierten Kapitalmarkt zu schaffen, um die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen zu stärken und die Abhängigkeit von ausländischen Finanzmärkten zu verringern. Kanzler Merz hatte bereits im Juni die Zersplitterung des Kapitalmarktes kritisiert.

Zahlen & Fakten

  • Euronext betreibt Börsen in Amsterdam, Brüssel, Dublin, Lissabon, Mailand, Oslo und Paris.
  • An der Frankfurter Börse gab es in diesem Jahr bisher nur einen Börsengang im Prime-Standard-Segment.
  • Die EU hat über 500 Handelsplätze, aber nur rund 30 Prozent des Aktienhandels finden an transparenten Börsen statt.
  • Friedrich Merz war früher im Aufsichtsrat der Deutschen Börse tätig.
  • Die USA locken mit deutlich mehr Kapital und einer höheren Marktliquidität.

Einordnung

Die Forderung nach einer europäischen Börse ist ein Weckruf für die europäischen Finanzmärkte. Sie verdeutlicht die Notwendigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Kapitalmarktes zu verbessern, um Unternehmen in Europa zu halten und Investitionen anzuziehen. Eine erfolgreiche Integration der europäischen Börsenlandschaft könnte zu einer stärkeren Kapitalbasis für europäische Unternehmen führen und ihre Fähigkeit stärken, im globalen Wettbewerb zu bestehen. Die Zersplitterung des europäischen Kapitalmarktes schadet der gesamten EU-Wirtschaft.

Für Unternehmen würde eine europäische Börse einen einfacheren und effizienteren Zugang zu Kapital ermöglichen. Investoren könnten von einer größeren Auswahl an Anlagemöglichkeiten und einer höheren Liquidität profitieren. Für die europäischen Finanzplätze bedeutet die Debatte um eine europäische Börse sowohl Chancen als auch Risiken. Einerseits könnten sie von einer stärkeren Integration und einem größeren Marktvolumen profitieren. Andererseits besteht die Gefahr, dass nationale Interessen und Konkurrenzkämpfe die Umsetzung einer gesamteuropäischen Lösung behindern. Eine Konsolidierung würde vermutlich einige Standorte stärken und andere schwächen.

Ausblick

Die Debatte um eine europäische Börse wird in den kommenden Monaten intensiviert werden. Es ist zu erwarten, dass die Europäische Kommission Vorschläge zur Stärkung des europäischen Kapitalmarktes vorlegen wird. Die Umsetzung einer europäischen Börse wird jedoch ein komplexer Prozess sein, der die Überwindung nationaler Interessen und die Harmonisierung unterschiedlicher Regulierungen erfordert. Die nächsten Schritte umfassen Gespräche zwischen den beteiligten Akteuren, die Ausarbeitung konkreter Pläne und die Klärung regulatorischer Fragen. Eine rasche Einigung ist unwahrscheinlich, aber der politische Druck zur Stärkung des europäischen Kapitalmarktes ist hoch.

Quelle: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/finanzen/reaktionen-europaeische-boerse-merz-100.html